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Ist der Deutschland-Hype in der NFL vorbei?

+++ Die NFL startet mit nur einem deutschen Akteur +++

Mit Sebastian Vollmer, Markus Kuhn, Björn Werner und Kasim Edebali hatten die Football-Fans vor gar nicht allzu langer Zeit vier Profis mit Starting-Potenzial in der NFL. Dazu die immer größer werdende Plattform auf Pro7Maxx sorgte regelrecht für einen Football-Boom in Deutschland. Auch das Hervorkommen von deutschen Talenten mit NFL-Potenzial, wie Moritz Böhringer und die Nzeocha-Brüder, halfen (besonders den NFL-Teams) den deutschen Markt noch mehr zu vereinnahmen. Doch das Lager der deutschen NFL-Profis ist im Laufe des vergangenen Jahres bis zum Cut vor wenigen Tagen deutlich geschrumpft: Björn Werner beendete seine Karriere und erklärte, dass seine Knie nicht mehr mitgemacht haben. Inzwischen versucht Werner, europäischen Talenten beim Sprung in die USA zu helfen - ein spannendes Projekt, das den deutschen NFL-Boom bald in neue Sphären heben kann. Wenig später verkündete auch Markus Kuhn sein Karriereende. Anfang März schließlich trennten sich die New England Patriots zudem noch von Tackle Sebastian Vollmer, der dann im Mai endgültig bestätigte, dass er nicht mehr in die NFL zurückkehren wird. Vollmer und Kuhn arbeiteten seitdem an einer Karriere in den Medien. Bessere Experten kann man sich eigentlich kaum vorstellen. Von der Expertise wird u.a. das Team von ran um Coach Esume und Icke profitieren. Dort werden sie nun das ein oder Mal präsent sein.

Junge Garde rückt in den Fokus, aber noch nicht in diesem Jahr

Nach dem Aus der Arrivierten gibt es aktuell mehr oder weniger vier aktive deutsche Spieler in NFL-Gefilden. Derzeit etwas außer Konkurrenz läuft noch der jüngere der Nzeocha-Brüder. Eric steht zwar bei den Tampa Bay Buccaneers unter Vertrag, kann aber 2017 noch nicht in der Regular Season eingesetzt werden, weil die Bucs einen zusätzlichen Nicht-Amerikaner in ihren Practice Squad aufnehmen konnten. Dieser darf sich beweisen, aber ohne Chance auf eine Spielerlaubnis für diese Saison. Eric ist damit also erst für die Saison 2018/19 ein Anwärter auf einen Kaderplatz.

Moritz Böhringer am Scheideweg

Für den gebürtigen Stuttgarter Moritz Böhringer könnte die Karriere bereits beendet sein, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Der erste deutsche Wide Receiver, der 2016 im Draft gewählt wurde - und das ohne jegliche College-Football-Erfahrung - verbrachte seine erste Saison im Vorjahr im Practice Squad der Vikings, doch nun steht der einst hochgelobte 23-Jährige nach einem Jahr im erweiterten Kader der Minnesota Vikings vor dem Aus. "Seine Routen sind viel besser, er fängt den Ball besser, und sein Verständnis der Offensive ist besser", hatte Vikings-Trainer Mike Zimmer noch im Juli gesagt. Trotzdem schaffte Böhringer den Sprung in den Profi-Kader nicht, die Vikings entließen ihn. Dass ein anderes NFL-Team dem Deutschen eine Chance gibt, der es als erster Europäer in die Profi-Liga schaffte, ohne je an einem US-College gespielt zu haben, gilt als unwahrscheinlich.

Das Jahr im erweiterten Kader tat Böhringer zwar gut, aber dennoch bewerten die Coaches die Vorbereitung des Deutschen nicht als ausreichend. Auch, wenn dem früheren Receiver der Schwäbisch Hall Unicorns kürzlich in einem Preseason-Spiel ein Catch gelang. Nach einem Besuch Böhringers in der alten Heimat hatten Unicorns-Verantwortliche den Sprung in den Kader noch als wahrscheinlicher als im Vorjahr eingestuft. Doch nun schaffte es „MoBo“ nicht einmal in den Practice Squad der Vikings. Wie es für Böhringer weitergeht, ist ungewiss.

Kevin Davis scheitert ebenfalls am Cut

Eine komplette Außenseiterchance hatte Kevin Davis bei den Rams. Der 23-jährige Linebacker wurde nach dem vergangenen Draft von den Los Angeles Rams als Undrafted Free Agent verpflichtet. Es war der Lohn für eine beeindruckende College-Saison. An deren Ende stand er bei 110 Tackles (davon 10,5 im Backfield) sowie drei Sacks und einer Interception. Insgesamt beendet er seine College-Karriere mit 257 Tackles (27 im Backfield), sieben Sacks und zwei Picks.

Jetzt hat er den Kampf um einen Platz im Kader gegen Alec Ogletree, Cory Littleton, Mark Barron und Bryce Harper verloren. "Ich weiß, dass es sehr schwierig wird und viel Arbeit auf mich zukommt. Aber vielleicht kann ich mich am Ende über die Special Teams in die Mannschaft und somit den endgültigen Kader spielen", so schätzte er selbst seine Chancen im Vorhinein ein. "Ich war schon auf dem College an der Colorado State University Teil der Special Teams, das ist also nichts Neues für mich."

Mark Nzeocha im Wechselbad der Gefühle

Bei dem älteren der beiden Nzeocha-Brüder war die Gesundheit das große Fragezeichen: Ein im College erlittener Kreuzbandriss verhinderte ernsthafte Einsätze (lediglich zwei Partien im aktiven Kader) in seiner Rookie-Saison 2015, in der Vorsaison brachte er es auch auf nur fünf Regular-Season-Partien (3 Tackles). Anfang Juni musste er schon wieder am Knie operiert werden, konnte aber die komplette Saisonvorbereitung mitmachen und erzwang im zweiten Preseason-Spiel der Cowboys prompt einen Fumble. Der gebürtige Ansbacher Nzeocha hatte die obligatorische Verkleinerung des Kaders auf 53 Spieler am Samstag noch unbeschadet überstanden, doch der 27-jährige Outside Linebacker wurde dann einen Tag später entlassen. Im Zuge der Verpflichtung von Jayrone Elliot von den Green Bay Packers musste er für den benötigten Kaderplatz weichen. Die deutsche Riege in der weltweit höchsten Football-Liga ist damit weiter ausgedünnt worden.

Kasim Edebali hält die deutsche Fahne hoch

Zum Saisonstart steht also nur noch Linebacker Kasim Edebali bei den Denver Broncos im finalen Kader. Aufgrund von Verletzungen und Abgängen bei den Broncos sollte der Hamburger einen Platz zumindest in der Pass-Rush-Rotation neben Von Miller sicher haben. Dass Edebali so viel Glück haben sollte, war im Frühjahr noch nicht so klar. Vor seinem Neustart bei den Broncos hatten ihn die New Orleans Saints nach drei Spielzeiten aussortiert. Und damit hat er fast schon die mittlere Dauer einer NFL-Karriere erreicht, denn nur 3,3 Jahre dauert eine NFL-Karriere im Durchschnitt. Hauptgründe sind der harte Konkurrenzkampf (Hunderte US-College-Spieler machen im Sommer Druck, um einen der begehrten Plätze in den 32 Teams zu bekommen) und die hohe Verletzungsgefahr, die viele Karrieren von heute auf morgen platzen lässt.

Damit die Tendenz nicht noch weiter gen null geht, hoffen die deutschen Football-Fans auf die erfolgsversprechende Arbeit von Björn Werner, denn deutsche Profis in der NFL haben eine gewisse Tradition. Ob Kicker Uwe von Schamann, D-Liner Markus Koch, Defensive Tackle Ernie Stautner oder Punter Ralf Mojsiejenko oder die eben ausführlicher genannten. Es wäre schade, wenn der Boom, der gerade erst so richtig Fahrt aufgenommen hat, wegen fehlender nationaler Helden, wieder einen Dämpfer bekommt. Auf kurz oder lang braucht der deutsche Fan auch wieder mehrere deutsche Spieler, um den Weg der NFL weiterhin zu gehen.