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V8-Grollen jenseits der USA

NASCAR in Europa immer beliebter - Zuschauer mögen ehrlichen und rabiaten Motorsport

NASCAR - Für viele nur ein motorsportlicher Begriff aus den USA. Die Motorsportart Nummer 1 in Amerika ist vor allem durch Ihre Rennen auf den großen Ovalen bekannt. Bullige V8-Boliden von Chevrolet, Ford und Toyota, die jenseits der 300 km/h dicht an dicht im Tiefflug über den Asphalt jagen, gehören hier zum gewohnten Bild. Traditionsrennstrecken wie der Daytona International Speedway in Florida an der Ostküste gehören ebenso in den Kalender, wie ein Ovalkurs außerhalb des Spielerparadieses Las Vegas. Gegründet wurde die NASCAR 1948 und ist vor allem ein US-Phänomen.

Still und zunächst heimlich hat sich allerdings in den letzten Jahren ein europäischer Ableger auf den hiesigen Rennstrecken zunehmend Bekanntheit verschafft. Im Jahr 2009 wurde in Frankreich die Euroracecar-Series ins Leben gerufen - eine Einheitsrennserie, die auf Rennfahrzeugen im typischen amerikanischen NASCAR-Look setzt. In den ersten Jahren fuhr man hauptsächlich Rennen in Südeuropa, auch das Gros der Piloten stammte aus Spanien, Italien und Frankreich. Doch die Rennserie fand auch zunehmend Beachtung auf der anderen Seite des Atlantiks, so dass man sich ab dem Jahr 2012 als offizielle NASCAR-Serie bezeichnen darf.

Nun unter dem Dach der großen amerikanischen NASCAR organisiert, finden seitdem immer mehr bekannte Piloten den Weg in die jetzt unter dem Titel Nascar Whelen Euro Series agierende Meisterschaft. Natürlich haben wir in Europa so gut wie keine bekannten Ovalrennstrecken, das heißt aber nicht, dass wir gar keine Möglichkeit haben, solche Rennen zu veranstalten. Damit schafft die Serie ein absolutes Novum. Mit den Rennen auf dem Halbmeilenoval des Raceway Venray - unweit der deutsch-niederländischen Grenze gelegen - und dem Ovalkurs im französischen Tours vor den Toren Le Mans, stehen im Kalender zwei ganz besondere Events, die es sonst so in keiner anderen europaweit agierenden Serie gibt.

Die Technik - Motorsport ganz oldschool - Einfach und brachial

Bei den Einsatzwagen handelt es sich um Einheitsboliden, die von einem 5,7 Liter V8-Motor angetrieben werden. Auf der Strecke sind die Wagen im Design eines Chevrolets oder Ford Mustang zu sehen. Ganz so einfach zu fahren sind die 1.210 kg schweren Renner, die es auf eine Maximalgeschwindigkeit von 245 km/h bringen, allerdings nicht. Ein aggressiver Fahrstil bringt einen schnell ins Aus, man muss das europäische Nascar gut rollen lassen können.

Die Technik ist einfach, auch die Aerodynamik kommt recht altbacken daher. Doch genau das ist der Charme der Boliden. Überholen ist hier noch einfach, während das ausgefeilte Flügelwerk anderer Rennserien heutzutage so manchen Angriff von Vornerein zunichtemacht. Die Rennen selbst sind knackig kurz, Sprintrennen über 65 Kilometer bzw. derer 50 auf den Ovalkursen lassen keine Langeweile aufkommen. Hier wird noch wie in guten alten Zeiten eng gegeneinander gekämpft, Lackaustausch inklusive. Ganz im Stil der großen NASCAR kann es auch schon mal rabiater auf der Strecke zugehen.

Vier Wertungsläufe gibt es an einem Rennwochenende zu sehen. Ein Wagen wird hier in zwei Wertungen eingesetzt, die jeweils zwei Läufe austragen. Neben der Hauptmeisterschaft wird der Wagen dann an einen anderen Piloten für die Nachwuchswertung übergeben. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass der Bolide dann aber oft nur mit Blessuren zurückgegeben wird. Feinmotorik ist dann woanders gefragt, hier muss der Hammer zum Ausbeulen her, ganz wie beim großen Nascar-Spektakel in Amerika.

Die Boliden der Whelen Euro Series sind in den letzten Jahren auch regelmäßig beim Race of Champions im Dezember im Einsatz - letztes Jahr stopfte der heutige Formel1-Pilot Pascal Wehrlein solch ein gutes Stück in die Bande, da er sich mit der klassischen Handschaltung doch etwas schwer tat. Schaltwippen braucht man hier nicht, hier wird noch ordentlich im Getriebe gerührt, genauer gesagt zwischen vier Gängen oder wie es die Engländer ausdrücken würden: "just 4 on the floor".

Ovale Zweikämpfe im Herzen von Europa

Der Kalender der Serie ist noch kurz, bietet aber mehr als Abwechslung. Klassische Rundstrecken wie in Valencia oder auf dem Adria Raceway werden ergänzt durch die Traditionskurse in Brands Hatch und Zolder. Dazu gibt es das Novum von zwei Events auf den Ovalen in Venray und in Tours. Besonders Venray sollte man hier beachten. Auf dem platten Limburger Land gelegen, grummeln die V8-Boliden seit letztem Jahr über ein klassisches Halbmeilen-Oval, welches in seiner Form in Europa einmalig ist. Die Anforderungen an die Piloten sind mit denen auf der klassischen Rundstrecke kaum vergleichbar. Beim Debüt auf dem Kurs kam es bereits zu reichlich Kaltverformung der Nascars. Spätestens auf dem Oval hat man ein klein wenig das Gefühl im amerikanischen Motorsport gelandet zu sein. Man ist bemüht, auch rund um die Rennen ein amerikanisches Flair zu vermitteln. Vor allem in Brands Hatch und in Tours gelingt das schon sehr gut - von V8-Monstern bis hin zu Cowboys ist hier für beste Unterhaltung gesorgt.

Das Duell - Lauda gegen Hunt Reloaded

War die Serie in den Anfangsjahren einigen Insidern vorbehalten, finden nun doch immer neue Gesichter den Weg in ein V8-Cockpit. Die Belgier Anthony Kumpen und Bert Longin beispielsweise, beide sind jahrelang im GT-Sport unterwegs gewesen, mischen hier jetzt kräftig das Feld auf. Insbesondere Kumpen, der 2014 im Debütjahr gleich den Meistertitel erringen konnte. Die Belohnung - ein Ausflug ins Nascar-Mutterland - brachte ihn nicht nur auf die Zuschauerplätze, nein, im Februar durfte der erfahrene Pilot sogar in der zweiten NASCAR-Liga in Daytona mit an den Start gehen. Für jeden Fahrer ein ganz besonderer Anreiz, sich im Europa-Ableger zu beweisen. Oder auch ein Mathias Lauda, der schon in der DTM am Start war - der Österreicher bekommt es 2016 mit einem ganz besonderen Teamkollegen zu tun. Bei seinem DF1 Racing Team kommt es zu einer Neuauflage des alten Formel1 Duells aus den 70er Jahren - Lauda gegen Hunt – jetzt folgt Teil II: die Söhne. Freddie Hunt wird sein Debüt geben und versuchen Lauda, der schon über Euronascar-Erfahrung verfügt, das ein oder andere Mal alt aussehen zu lassen.

Es sind aber nicht nur die alteingesessenen Piloten, die hier am Start sind. Auch der Nachwuchs findet mittlerweile den Weg in die Serie, selbst aus dem Formelsport. Eddie Cheever III war vor seinem Einstieg in der Formel 3 aktiv und mit Justin Kunz wagt 2016 auch ein junger Deutscher den Weg ans Steuer des V8-Ungetüms. Das Reglement hat man stark auf Amerika ausgerichtet. Nicht nur die Punktevergabe, auch das Startprozedere geht wie in den USA fliegend von statten. Die Restarts nach SafetyCar-Phasen werden klassisch wie das große Vorbild in Zweierreihen absolviert.

Die Nascar Whelen Euro Series ist keine Meisterschaft, in der es um technische Finessen geht - im Vordergrund steht der Zweikampf Mann gegen Mann bzw. auch Frau, denn auch die Ladies sind hier mit am Start. Entscheidend ist vor allem der Fahrer, so wie es im Motorsport sein sollte. Dazu hat man eine zuschauerfreundliche Atmosphäre geschaffen, die es in Europa immer weniger gibt. Ende April ist im spanischen Valencia der Startschuss für die neues Saison der V8-Monster - dann heißt es auch in Europa: "Ladies and Gentlemen, Start your Engines."

NASCAR Whelen Euro Series Rennkalender 2016
22.-24. April 2016 Circuit Ricardo Tormo – Valencia/Spanien
14.-16. Mai 2016 Raceway Venray – Venray/Niederlande
10.-12. Juni 2016 Brands Hatch Indy Circuit – Brands Hatch/England
24.-26. Juni 2016 Tours Speedway – Tours/Frankreich
16.-18. September 2016 Adria Raceway– Adria/Italien
07.-09. Oktober 2016 Circuit Zolder – Zolder/Belgien

Bilder: NASCAR Whelen Euro Series, racing14.de

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