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Irlands National-Sport ist auf dem Vormarsch

Wie Hurling und Gaelic Football den etablierten Sportarten Konkurrenz machen.

Wer als Sport-Fan in Irlands Hauptstadt Dublin Urlaub macht, für den gehört ein Abstecher in den Croke Park zum Pflichtprogramm. Das altehrwürdige Stadion von 1913 wurde mehrfach saniert und erweitert und bietet heute 82.300 Zuschauern Platz. Damit ist der Croke Park das fünftgrößte Stadion Europas – ein Heiligtum der grünen Insel. Die Finals der All-Ireland Championships, die Anfang September hier ausgetragen werden, sind ein nationales Ereignis. Im Fußball? Der Stadion-Führer rümpft die Nase. „No Soccer!“ Im Croke Park werden nur Spiele im Hurling und Gaelic Football ausgetragen.

Hurling? Gaelic Football? Die Sportarten klingen hierzulande wie Fremdwörter. In Irland gehören sie zum Kulturgut. Bereits 1884 gründete sich die Gaelic Athletic Association (GAA), welche die traditionellen irischen Sportarten fördert. Damit hob sich der Verband bewusst von Rugby und Fußball, den Sportarten der britischen Krone, ab. Zudem boten Hurling und Gaelic Football der einfachen irischen Bevölkerung die Chance zur sportlichen Betätigung. Die war lange nur der englischen Oberschicht vorbehalten.

Mit der Abspaltung Irlands von Großbritannien erlangten die gälischen Sportarten ab 1916 auch eine politische Dimension. Mitglieder der GAA waren maßgeblich an den Unabhängigkeits-Kriegen beteiligt. Bis 1972 war es ihnen sogar untersagt, ein Fußballspiel zu besuchen. Dies hätte zum Ausschluss aus dem Verband geführt. Der Konflikt schwelt bis in die Gegenwart. Als sich Schottland und Irland um die gemeinsame Austragung der Fußball-EM 2008 bewarben, verweigerte die GAA die Austragung von Spielen im Croke-Park. Dies führte unter anderem zum Scheitern der Bewerbung. Erst ab 2007 durften vereinzelt Fußball-Länderspiele im „de Croker“ ausgetragen werden.

Gaelic Football: Fußball goes Rugby

Dabei sind sich alle genannten Team-Sportarten nicht unähnlich. Gaelic Football ist eine Mischung aus Rugby und Fußball. Das Spielgerät erinnert an einen Volleyball, ist aber schwerer. Jedes Team hat 15 statt 11 Spieler. Der Ball darf für vier Schritte in der Hand getragen, vom Fuß in die Hand gekickt, mit der Hand gedribbelt oder wegschlagen werden. Tore können wie beim Fußball zwischen Pfosten und Latte (3 Punkte) oder wie beim Rugby über die Latte (1 Punkt) erzielt werden. Auch Körpereinsatz ist erlaubt.

Hurling: Härter als Hockey

Hurling ist der weltweit schnellste Sport auf Rasen. Vieles erinnert an Hockey. Der harte Ball ähnelt einem Baseball und wird mit der Hand gefangen. Mit dem Schläger (Hurley) transportieren die 15 Spieler den Ball über das Spielfeld und passen ihn am Boden oder in der Luft weiter. Tore werden wie beim Gaelic Football über (1 Punkt) oder unter der Torlatte (3 Punkte) erzielt. Anders als beim Hockey ist beim Hurling Körpereinsatz erlaubt. Helm und Schläger dienen als Kopfschutz vor Ball und Gegner.

In Irland spielen rund 280.000 Aktive aus 2.800 Vereinen Hurling und Gaelic Football. Die nationalen Amateur-Serien, an der auch Teams aus Nordirland teilnehmen, werden von Mai bis September im K.o.-System ausgetragen. Im Gaelic Football sind Gast-Teams aus New York und London zugelassen. Die Finals steigen jährlich vor ausverkauftem Haus im Croke Park zu Dublin und sind ein nationales Ereignis. Im Hurling-Finale setzte sich am Sonntag Tipperary knapp gegen Rekordmeister Kilkenny durch.

Welle schwappt nach Europa über

In Deutschland stecken beide Sportarten in den Kinderschuhen. Erst im März dieses Jahres gründete sich der deutsche Ableger der GAA, der Bund gälischer Sportarten (DGBS). Seitdem entstehen von Hamburg bis München, von Berlin bis Darmstadt neue Vereine. Anfangs fanden sich an den Unis irische Studenten zusammen, um ihrem Nationalsport nachzugehen. Später begeisterten sich auch viele Deutsche für die Kontaktsportarten von der Insel. „Ich habe früher Fußball gespielt. Hurling ist viel geiler“, sagte die Präsidentin des DGBS, Nicole Werner.

Mittlerweile zählt der deutsche Dachverband elf Klubs und mehr als 500 Spieler. Gemeinsam versuchen sie, Hurling, Camogie (Frauen-Hurling) und Gaelic Football auch dem Nachwuchs näherzubringen. „Wir stellen die Sportarten an Schulen vor. Das ist nicht immer einfach, da Eltern die Sportarten für ihre Kinder zu hart finden“, erklärt Brian Sheehy, Präsident der europäischen Gaelic Athletic Association (GAA).

Dabei sind Hurling und Gaelic Football in Europa längst auf dem Vormarsch. Vor allem in den Benelux-Staaten, in Frankreich, Spanien und Skandinavien stehen die Sportarten hoch im Kurs. Neben regionalen und nationalen Turnieren werden Welt- und Europameisterschaften organisiert. Im August fanden in Dublin die GAA World Games statt. Rund 80.000 Zuschauer verfolgten im Croke Park die Spiele. Damit kehrten Hurling und Gaelic Football in die Wiege ihrer Sportarten zurück. Ein weiterer Schritt, um den Stolz der Iren weltweit populär zu machen.