Earth

Ronda Rousey – Von der Kellnerin zur Kampfmaschine

Die Mixed Martial Arts-Kämpferin macht eine umstrittene Sportart salonfähig.

Anfang Juni veröffentlichte das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes die Liste der reichsten Sportlerinnen der Welt. Unter den Top Ten für 2016 rangieren – wen wundert es – acht Tennisspielerinnen. Top-Verdienerin ist die Weltranglisten-Erste Serena Williams mit einem jährlichen Einkommen von 25,4 Millionen Euro. Schon auf Platz drei folgt Ronda Rousey, die 2016 12,3 Millionen Euro einspielte. Ronda wer?

In Europa und Deutschland ist die US-Amerikanerin nur Kennern der Szene bekannt. Rousey betreibt Mixed-Martial-Arts (MMA*), ein Vollkontaktsport, der zu den härtesten der Welt zählt. Rousey ist die erste Frau, die 2013 zu einem MMA-Kampf den Ringkäfig betritt. Die 29-Jährige ist die erste Meisterin ihrer Sportart, die Erste, die als weiblicher Profi Top-Gagen einstreicht. Mehr noch, Rousey startet in Hollywood eine Schauspiel-Karriere, avanciert zur Werbe-Ikone, schreibt Kolumnen und ist Stargast in Talkshows. Kurzum: Rousey lebt den amerikanischen Traum!

Ronda Rousey war die erste MMA-Titelträgerin.

Vom Sorgenkind zur Olympia-Teilnehmerin

Zu diesem Traum passt ihre Biografie. Es ist die Geschichte des kleinen Mädchens aus Santa Monica in Kalifornien, das schon früh kämpfen musste. Bei ihrer Geburt wickelte sich die Nabelschnur um ihren Hals. Dadurch erlitt sie erhebliche Entwicklungsstörungen, lernte erst spät sprechen. „Man konnte nichts verstehen, sie bekam die Worte nicht heraus“, sagte ihre Mutter Ann Maria Rousey DeMars.

Was Ronda nicht in Worte fassen konnte, drückte sie mit dem Sport aus. Sie begann zu schwimmen, machte Geländeläufe und versuchte sich, gegen ihre zwei Schwestern zu behaupten. Ihre Mutter, die 1984 erste US-amerikanische Judo-Weltmeisterin, brachte sie zum Kampfsport. „Sie hat mir den Armbar beigebracht“, sagt Rousey, jenen Judo-Griff, der ihr später noch nützlich sein würde.

Zuvor startete die ehrgeizige Amerikanerin eine erfolgreiche Judo-Karriere. Rousey nahm 2004 als jüngste Athletin an den Olympischen Spielen in Athen teil. Vier Jahre später gewann sie in Peking die Bronzemedaille. „Dafür gab es 10 000 Dollar und einen feuchten Händedruck“, erinnerte sich Rousey. Um sich finanziell über Wasser zu halten, arbeitete sie als Barkeeperin und Kellnerin.

Ronda Rousey gewann 2008 in Peking Bronze im Judo.

Judo-Talent wird zur Kampfmaschine

Das war nicht das Leben, das sie sich erhofft hatte. Sie brach die High School ab und startete eine Profilaufbahn im Kickboxen. Ähnlich wie im Hollywood-Film „Million Dollar Baby“ schaute sie im Gym von Trainer Edmond Tarverdyan auf. Der nahm sie auf und formte die Judo-Athletin zur Kampfmaschine. Tarverdyan: „Ich wusste, sie ist eine Kämpferin.“ Auf Anhieb gewann Rousey den Titel im Bantamgewicht. „Von da an wusste ich, dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen will. Und dass dieser Beruf nicht wirklich existierte. Darum musste ich ihn aufbauen“, sagte die Kämpferin.

Nachdem sie mehrfach ihren Titel verteidigte, wechselte Rousey 2012 zur Ultimate Fighting Championship (UFC), dem weltweit größten Veranstalter von MMA-Kämpfen. Schnell machte sich „Rowdy“ Rousey, wie ihr Kampfname in der Szene lautet, einen Namen. Vor allem ihr Armhebel (Armbar), den sie im Bodenkampf einsetzt, ist gefürchtet und bescherte der Titelverteidigerin schon nach Sekunden vorzeitige Siege. Dass sie dabei ihren Gegnerinnen den Ellenbogen auskugelt – geschenkt. Für Mitleid oder moralische Bedenken ist beim MMA kein Platz.

Wer ein MMA-Duell im Internet oder live verfolgt, dem stockt der Atem. Die Kampfabende der UFC erinnern an Gladiatorenkämpfe im alten Rom. Der Einmarsch der Kämpfer, die blutigen Duelle im Käfig. Es wird so lange geschlagen, getreten und gewürgt, bis einer der Kontrahenten nicht mehr kann. Meist wirken die Prügel-Orgien technisch unsauber und ungelenk. Kein Vergleich mit der Ästhetik des Boxens oder der Show beim Wrestling. Im Bodenkampf wird der Gegner so lange mit Fäusten traktiert oder in den Schwitzkasten genommen, bis er aufgibt. Dann bricht der Ringrichter den Kampf ab – die Menge tobt. Geschmackssache.

Fakt ist: MMA ist auf dem Vormarsch. In den USA läuft die Sportart dem Boxen längst den Rang ab. Auch in Deutschland wird MMA trotz aller Kritik immer populärer. Kampfabende sind gut besucht, Trainingszentren entstehen. Einen Anteil daran hat auch Ronda Rousey. Die hübsche Fighterin holt MMA aus der Schmuddel-Ecke. Sie ziert die Cover der Fitness- und Mode-Magazine, tritt als Kolumnistin und Bloggerin auf, gilt als Werbe-Ikone und schaffte sogar den Sprung nach Hollywood. Für den Film „The Expendables 3“ stand sie mit Sylvester Stallone und Wesley Snipes vor der Kamera. Auch bei „Fast & Furious 7“ spielte sie mit Superstar Vin Diesel die taffe Action-Heldin.

Ende 2015 erlitt das multimediale Image der Superfrau Kratzer. Rousey verlor ihren ersten UFC-Kampf. Gegen Holly Holm bezog die Meisterin Prügel und ging nach einem heftigen Tritt gegen den Kopf K.o. Ein Schock für ihre Fans, galt doch ihre Ultimate Fighterin als schier unbesiegbar. Selbst Box-Legende George Foreman spendete der geschlagenen Meisterin Trost. Andere Promis reagierten mit Häme. Präsidentschaftskandidat Donald Trump und Lady Gaga, die Rousey gegen sich aufgebracht hatte, spotteten über ihre Niederlage. Ein Beleg, in welche Dimensionen die Athletin in den USA mittlerweile vorgestoßen ist.

Rousey traf die Niederlage mitten ins Herz. Sie zog sich monatelang aus der Öffentlichkeit zurück. An ein Comeback war nicht zu denken. In einer Talk-Sendung gab Rousey sogar zu: „Ich hatte Selbstmord-Gedanken.“ Wenig Wochen zeigte sich schon wieder von ihrer kämpferischen Seite. „Ich will meinen Gürtel zurück.“ Ob es zu einem Rückkampf gegen Holm kommt, die ihren Gürtel umgehend wieder verlor, oder ob Rousey Ende des Jahres die aktuelle Titelträgerin Amanda Nunes herausfordert, bleibt offen. Vielleicht muss die ewige Kämpferin auch einer neuen Generation Platz machen. Klar ist: Rousey hat MMA ein Gesicht gegeben und ein Stück weit salonfähig gemacht.

*Mixed Martial Arts (MMA) -
MMA gehört zu den härtesten Vollkontaktsportarten der Welt. MMA-Kämpfer bedienen sich Schlag- und Tritttechniken aus dem Boxen, Kickboxen, Taekwondo, Muay Thai und Karate. Zudem kommen im Bodenkampf Griffe aus dem Ringen, Jiu-Jitsu und Judo zum Einsatz. Beim MMA ist fast alles erlaubt. Ausgeteilt wird mit Knien, Ellenbogen, Fäusten und Füßen. Kopfstöße, Stechen in Augen, Schläge an den Hals, Beißen und Kratzen sind verboten. Anders als bei anderen Kampfsportarten darf beim MMA am Boden weiter geschlagen und getreten werden. MMA wurden in den USA Anfang der 90er-Jahre populär. Die Käfig-Kämpfe der Ultimate Fighting Championship (UFC) stießen auch auf heftige Kritik. 1998 erwirkte der damalige US-Senator John McCain ein TV-Verbot in 36 Staaten. Auch in Deutschland war MMA zwischenzeitlich aus dem Fernsehen verbannt. Heute ziehen die Kämpfe weltweit Millionen Fans an. Den Titelkampf zwischen Ronda Rousey und Holly Holm verfolgten 2015 im australischen Melbourne 56 000 Zuschauer live in der Halle. Über eine Million Käufer orderten den Pay Per View.