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Underdogs ganz groß – auch das ist Olympia

Auch Überraschungssiege machen den Charme der Olympischen Spiele aus

Die Olympischen Spiele leben von den Top Stars der Szene. Doch wäre das bedeutendste Sportereignis der Welt nicht halb so schön, gäbe es keine Überraschungen oder Siege von Sportlern und Nationen die zuvor niemand auf dem Zettel hatte. Genau diese einzigartige und besondere Seite von Olympia wollen wir an dieser Stelle würdigen und  hervorheben.

Fidschi mit Gold beim 7er Rugby

Denkt man an Fidschi kommen einem Bilder von malerischen Traumstränden mit kristallklarem Wasser in den Sinn. Irgendwo, weit östlich von Australien, liegt das Urlaubsparadies mitten im Südpazifik. Doch spätestens seit den Olympischen Spielen ist jedem klar, dass Rugby mindestens genauso zu Fidschi gehört wie die atemberaubende Natur.

Kenner wussten schon vor Beginn, dass die Fidschianer zu den Top-Favoriten im Rugby Seven gehörten, wurden sie doch in den vergangenen beiden Jahren  World-Series-Champion. Als Rugby nach 92 Jahren erstmals wieder olympisch wurde, konnten wir das Team aus Fidschi bei ihrem Durchmarsch begleiten. Das Besondere beim 7er Rugby: Im Gegensatz zum klassischen Rugby wird eine Mannschaft aus 7 anstatt 15 Spielern gebildet und die Spielzeit ist erheblich verkürzt. Dadurch wird das Spiel grundsätzlich schneller und vor allem spannender. Zumindest solange bis Fidschi eines der Teams stellt. Im Finale schaffte es Finalist Großbritannien in der ersten Halbzeit nicht einmal im Ballbesitz über die Mittellinie und so sehr sie sich auch bemühten, am Ende gewannen die Männer aus dem Südpazifik mehr als deutlich mit 43:7 (29:0) und holten nicht nur das erste Mal eine olympische Medaille, sondern sogar olympisches Gold in die Heimat. In der rugbyverrückten Heimat hat wahrscheinlich kaum jemand der knapp 900.000 Einwohner das Spiel verpasst, sogar Premierminister Bainimamara stand „einfach nur als Fan“ mit allen anderen Fans auf den Rängen und bejubelte sein Team beim Sieg.

Erinnert man sich jetzt noch an das respektvolle und faire Auftreten der großartigen Gewinner nach ihrem Sieg, verbindet man neben Paradies und Rugby den Inselstaat nun ebenfalls mit Freundlichkeit und unglaublicher Sympathie. Die Fidschianer werden dieses Ereignis wohl nie vergessen, denn zu Ehren des Rugby-Teams wurde der 22. August nun offiziell zum Feiertag erklärt.

Gold für Puerto Rico statt für Angelique Kerber

Auch für Puerto Rico gab es das erste Mal olympisches Gold, allerdings zum Leid der deutschen Tennisfans, denn Mónica Puig bezwang im Finale die deutsche Angelique Kerber mit 6:4, 4:6 und 6:1. Puig entwickelte sich nicht nur vom Außenseiter zum absoluten Favoritenschreck, sie holte sogar als erste Frau eine Medaille für ihr Land. Zuerst kämpfte sich die 22-Jährige von Weltranglisten-Platz 92 am Anfang des Jahres bis auf Platz 34 hoch - dann folgte Rio. Wie im Rausch fegte sie innerhalb weniger Tage durch das Turnier und besiegte drei Grand-Slam-Siegerinnen.  Als erstes gewann sie gegen Garbiñe Muguruza, anschließend gegen Laura Siegemund. Nachdem sie im Halbfinale die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova an die Wand spielte, folgte das Finale gegen Kerber und die erste Goldmedaille für Puerto Rico.

Für ihren Durchmarsch bei den Olympischen Spielen hat Puig ihre ganz eigene Erklärung. „Ich spielte für mein Land, nichts lässt sich mit diesem Gefühl vergleichen. Bei den Olympischen Spielen geht es auch nicht um mich. Es geht um Puerto Rico... Alle sind verrückt und überglücklich - und alle Sorgen weit weg." Einen ganz besonderen „Glücksbringer“ für den Sieg hatte sich Puig Anfang des Jahres gekauft. Ihren kleinen Hund taufte sie Rio, das allein zeigt, welchen Stellenwert das Turnier für sie hatte.

Majlinda Kelmendi die neue Nationalheldin des Kosovo

„Was manche Länder nicht in Jahrzehnten zustande gebracht haben, hat unser geliebter Kosovo durch unsere glorreiche Heldin bereits bei seinen ersten Spielen geschafft.“ So bejubelte Premierminister Isa Mustafa die erste Goldmedaille und Medaille überhaupt für sein Land. Zu Verdanken ist diese Majlinda Kelmendi.

Doch der Triumph kam nicht besonders unerwartet, denn die 25-jährige Judoka gewann bereits mehrere bedeutende Wettkämpfe. Bei den Junioren-Weltmeisterschaften 2009 in Paris krönte sie sich zur Weltmeisterin. Auch nach dem Juniorenbereich etablierte sich Kelmendi in der Weltspitze. 2013 und 2014 wurde sie Judo-Weltmeisterin.

Bereits 2012 war sie bei den Olympischen Spielen in London angetreten, allerdings musste sie unter der Flagge von Albanien kämpfen. Erst nachdem dieses Jahr das Nationale Olympische Komitee des Kosovo ins IOC aufgenommen wurde, konnte Kelmendi ihren Traum verwirklichen.

"Dieses Mal hatte ich meine Flagge, meine Hymne und das ist einer der ersten Gründe, warum ich so motiviert war und unbedingt gewinnen wollte.“ Der Kosovo steht für eine bewegte Vergangenheit, Krieg, Kampf um Unabhängigkeit sowie das Bilden einer eigenen Nation. Doch Kelmendi möchte auch auf etwas anderes hinaus. Sie wollte der Welt zeigen, dass der Kosovo ein Land ist, in dem es mehr als nur Krieg gibt. Auch möchte sie ein Vorbild für die junge Generation in Ihrem Heimatland sein, denn sie hat bewiesen, dass man alles erreichen kann – selbst wenn man aus einem so armen und kleinen Land wie dem Kosovo kommt.

Joseph Schooling vom Phelps-Fan zum Olympiasieger

Eine der spektakulärsten ersten Goldmedaillen ging an Singapur. Diese Medaille holte Joseph Schooling über die 100m Schmetterling. Der 21-Jährige hat dabei Schwimmstar Michael Phelps bei dem wohl letzten Einzelrennen seiner Karriere vom Thron gestoßen und brauchte dafür nur  50,39 Sekunde. Damit war Schooling nicht nur 35 Hundertstel schneller als der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten, sondern stellte auch noch einen neuen olympischen Rekord auf.

Als Kind bewunderte Schooling Michael Phelps und die Liebe zu seinem Idol spornte ihn an, ein immer besserer Schwimmer zu werden. Als Michael Phelps 2008 auf dem Höhepunkt seiner Karriere war und in Peking acht seiner 23 Goldmedaillen gewann, kreuzten sich Schoolings und Phelps Wege zum ersten Mal. Der damals 13-jährige konnte einen Schnappschuss mit seinem großen Idol ergattern. Dass er den Amerikaner acht Jahre später besiegen würde, konnte sich Schooling damals nicht erträumen.

Dies sind sie, die Geschichten die Olympia ausmachen. Geschichten von kleinen Ländern, die sich zu Ruhm und Ehre kämpfen, von Underdogs, die mit ihrem Ehrgeiz und Kampfgeist alle überraschen oder von Teenagern, deren Bewunderung für ihre Idole sie selbst zu Höchstleistungen antreibt.

Autor: Michael Knüppel
Bildquelle: GettyImages