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Polens perfider Plan mit der FIFA-Weltrangliste

+++ Wie unser Nachbarland systematisch die Schwächen der Weltranglisten-Berechnung ausnutzte +++

Seit Jahren nutzen einige Nationen Schwächen der FIFA-Weltrangliste systematisch aus, um ihre WM-Chancen zu erhöhen. Wie gut das funktioniert, zeigt sich vor der Gruppenauslosung der WM 2018 - zum Beispiel an Polen, die die Formel der FIFA zur Berechnung der Weltrangliste genauestens unter die Lupe genommen haben. Die Grundlogik der Berechnung ist erstmal einfach: Wer sich im Weltfußball erfolgreich in Szene setzt, gewinnt Punkte und steigt somit in der Rangliste. Die Gesamtpunktzahl über vier Jahre ergibt sich für ein Team aus folgenden Punkten:

  • der Anzahl Punkte für ein einzelnes Spiel,
  • dem Punkteschnitt der Spiele in den letzten zwölf Monaten,
  • dem Punkteschnitt der Spiele, die mehr als zwölf Monate zurückliegen (jährliche Abwertung – umso aktueller die Ergebnisse, umso mehr Wert haben sie).

Und jetzt kommt der Clou. Diese Formel sorgt für u.a. Polens hohe Stellung in der Weltrangliste: "P = M x I x T x C" - die Formel beschreibt, wie viele Punkte (P) eine Nation im Ranking für ein Länderspiel erhält. Doch wie setzen sich diese Punkte zusammen? Endete die Partie mit einem Sieg, Remis oder einer Niederlage (M) ? Wie wichtig war das Spiel - Test-, Quali- oder WM-Spiel (I) ? Wie gut steht der Gegner in der Weltrangliste (T) und aus welcher Konföderation stammt er (C)

Berechnung der Punkte für ein einzelnes Spiel

Für die Berechnung hier ein paar nähere Erläuterungen, wie viele Punkte es bei den einzelnen Kennzahlen geben kann:

M: Punkte für das Ergebnis Für einen Sieg erhalten die Teams drei Punkte, für ein Unentschieden einen Punkt, für eine Niederlage null Punkte, für einen Sieg im Elfmeterschießen zwei Punkte und für eine Niederlage im Elfmeterschießen einen Punkt.

I:

  • Status des Spiels Freundschaftsspiel (inkl. kleine Turniere): I = 1,0
  • Vorrunde der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™ und Kontinentalqualifikation: I = 2,5
  • Kontinentale Endrunden und FIFA Konföderationen-Pokal: I = 3,0
  • Endrunde der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft™: I = 4,0

T: Stärke des Gegners Die Stärke des Gegners basiert auf der folgenden Formel: 200 minus Ranglistenposition des Gegners. Das Team auf Rang 1 wird stets mit dem Wert von 200 bewertet. Ab Position 150 werden die Teams mit einem Mindestwert von 50 gewichtet. Als Ranglistenposition wird der Rang des gegnerischen Teams in der zuletzt publizierten Rangliste eingesetzt.

C: Stärke der Konföderation Für die Berechnung von Spielen zwischen Teams verschiedener Konföderationen wird der Durchschnittswert der Konföderationen der beiden beteiligten Teams verwendet. Die Stärke der Konföderation errechnet sich anhand der Anzahl Siege nach Konföderation bei den letzten drei Endrunden der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft™ und lautet wie folgt:

  • CONMEBOL 1,00
  • UEFA 0.99
  • AFC/CAF/OFC/CONCACAF 0,85

Manche Töpfe sind sehr skurril – Peru, England und Spanien in Topf 2

Was zuerst nach einer ausgeklügelten Methode zur Berechnung klingt, hat haarsträubende Schwächen, die sich manche Teams seit Jahren systematisch zu Nutze machen, um im Ranking aufzusteigen und dann bessere Chancen bei der WM zu haben. So landete Polen, das für die WM 2014 nicht einmal qualifiziert war, als Weltranglistensechster im ersten Topf der gesetzten Teams; Spanien und England dagegen nur im zweiten. Doch wie hat Polen das gemacht? Wie bugsierte sich eine Mannschaft, die 2013 noch 76. im Ranking war, nun auf Platz sechs.

Das Verzichten auf Testspiele in der entscheidenden Phase

Ganz nebenbei spielte Polen eine starke Quali und holte dort allein 25 Punkte aus zehn Spielen. Aber was für einen Aufstieg noch wichtiger war: das Verzichten von Freundschaftsspielen vom 15. November 2016 bis zum 9. November 2017. Die meisten anderen Länder bestritten mindestens zwei Spiele in dieser Zeit. Spanien sogar allein in 2016 sieben.

Die Logik dahinter ist ziemlich einfach und perfide. Die Gesamtpunktzahl eines Landes in der Weltrangliste ergibt sich nicht durch Addition der erspielten Punkte, sondern aus dem Punkteschnitt; wobei die letzten zwölf Monate (in denen Polen auf Testspiele gänzlich verzichtete) mit 100, die drei Jahre zuvor mit 50, 30 bzw. 20 Prozent in die Wertung eingehen. Überhaupt nicht zu spielen, ist also viel besser als Gefahr zu laufen ein Spiel zu verlieren – denn die genannte Punkteformel ergibt bei einer Niederlage schließlich immer 0. Das zieht den Durschnitt massiv nach unten. Ein Test gegen ein Land aus den unteren Ranglistenregionen, Andorra zum Beispiel, kann den ganzen Schnitt ruinieren.

Italien büßte 2013 in der Weltrangliste dafür, ein Benefizspiel gegen Haiti mit 2:2 bestritten zu haben. England spielt zwar immer gegen große Gegner, verliert diese Tests aber in schöner Regelmäßigkeit. Und Gastgeber Russland stürzte mangels Pflichtspielen im Vorfeld der WM von Platz 24 im Jahr 2015 auf Platz 65 ab, was für die kommende Heim-WM zwar egal ist, nicht aber für die Auslosung der nächsten WM-Qualifikationsgruppen, die am Ende des Jahres wieder anstehen.

Auch Rumänien nutzte dieses Berechnungssystem – davon profitierte auch wieder Polen

Polen ist nicht das einzige Land, das dieses System ausnutzte. Wales war im Jahr 2015 auf einmal ein Teil der besten zehn Nationalmannschaften der Welt, und das nur, weil sie zwischen September 2014 und Oktober 2015 kein einziges Testspiel absolvierten. Rumänien spielte in einem ähnlichen Zeitraum nur eins und plötzlich waren sie Siebter. Und da kommen wieder die Polen ins Spiel.

Denn Rumänien war bei der Auslosung der Gruppenkopf der Qualifikationsgruppe um…genau… Polen. Also ein wesentliches einfacheres Unterfangen für die Mannen um Stürmerstar Robert Lewandowski. Kein Deutschland, kein Spanien und kein Frankreich, sondern Rumänien als nominell schwersten Gegner.

Die UEFA umgeht dieses Prozedere, indem sie für ihre Koeffizienten einzig WM-, EM- und Qualispiele berücksichtigen. Die FIFA versucht eben mit diesem umständlichen Modus die unterschiedlichen Konföderationen mit unterschiedlichen Quali-Modi und unterschiedlich vielen Mitgliedern unterschiedlicher Stärke zusammenzuführen. Dass das kaum gutgehen kann, haben wir ja nun gesehen.

Laut FIFA wollen sie aber nach der Qualifikation den alten Modus überdenken, „um die Weltrangliste zu verbessern“.