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24 Stunden: Rostocker rast mit "Fixie" zum Weltrekord

Hobby-Fahrer Christian Klopsch legt mit dem Bahnrad in 24 Stunden 730 Kilometer zurück.

Wenn Christian Klopsch in den Feierabend geht, war er einen ganzen Tag lang auf den Beinen. Für den Herzchirurgen am Rostocker Uniklinikum sind 24-Stunden-Schichten Alltag. „Ich komme morgens um 10 Uhr auf Arbeit und gehe am Folgetag gegen acht Uhr heim. Dann habe ich einen Tag frei“, erklärt der 35-jährige Arzt.

Sein Bio-Rhythmus ist Extreme gewohnt. Vielleicht ein Grund, warum Klopsch auch in seiner Freizeit an seine körperlichen Grenzen geht. Der Rostocker war Anfang Juni 24 Stunden auf dem Rad unterwegs und legte dabei 730,3 Kilometer zurück. Weltrekord! „Ein tolles Gefühl. Als ich im Ziel war, habe ich vor Glück und Erschöpfung alle umarmt“, freut sich der Hansestädter.

Dem Mega-Trip auf zwei Rädern gingen monatelange Planungen und beinhartes Training voraus. Den Anstoß gab der US-Amerikaner Joe Lawhorn, der den bisherigen (inoffiziellen) 24-Stunden-Weltrekord über 668 Kilometer hielt. „Als ich davon hörte, dachte ich, das kann ich schaffen. Ich war heiß drauf, zu schauen, was in 24 Stunden geht“, sagt Klopsch.

PSV Rostock bildete schon Ullrich und Greipel aus

Genügend Ehrgeiz und Erfahrung bringt der gebürtige Neubrandenburger mit. „Früher habe ich Tennis gespielt, später war ich bei den Kanuten aktiv und wurde Junioren-Weltmeister im Drachenbootfahren.“ Vor 15 Jahren begann der Hobby-Fahrer beim PSV Rostock mit dem Radsport. Der Verein bildete schon etliche Weltklasse-Fahrer wie Jan Ullrich, André Greipel und Paul Martens aus. Klopsch sah die Ausfahrten ins Umland und auf der Bahn nur als Ausgleich zu Studium und Beruf. „Erst habe ich mir ein Trekkingrad gekauft, später bin ich aufs Rennrad umgestiegen. Die Strecken wurden dann immer länger.“

Mal fuhr er über 500 Kilometer die Ostseeküste ab, mal erkundete er auf einer Insel-Tour Gran Canaria. Zudem nahm der Ausdauer-Spezialist 2014 an der „Fixie“-WM in Berlin teil. „Dort machten wir unsere Teamkollegin Christin Klepsch zur ersten Weltmeisterin in dieser jungen Sportart.“

Keine Bremse, keine Gangschaltung

Fixie-Räder stammen aus dem Bahnradsport und verfügen weder über Bremsen noch über eine Gangschaltung. „Man ist die ganze Zeit mit einem starren Gang unterwegs und muss ununterbrochen treten, kann also nie die Beine hochnehmen. Technisch anspruchsvoll, aber es macht Spaß“, erklärt Klopsch. Für den Weltrekord-Versuch auf öffentlichen Straßen musste er allerdings die Bremsen dranlassen. Er sieht sich als Vorreiter einer wachsenden Szene der Fixie-Fahrer, die vor allem bei Ex-Profis beliebt ist.

Deshalb ging er den Weltrekord auch auf einem Fixie-Rad und nicht auf einem herkömmlichen Rad an. „Wir haben beim Guinness-Rekord-Komitee angefragt, um den Weltrekord offiziell zu machen. Aber die haben nicht mehr reagiert. Für die war unsere Sportart wahrscheinlich noch zu exotisch“, glaubt Klopsch. An seinem Vorhaben hielt er trotzdem fest. Zumal er in seinem Umfeld viel Zuspruch erfuhr. „Die Jungs vom PSV waren sofort Feuer und Flamme und haben mich bei der Umsetzung unterstützt“, so der 35-Jährige, der 14 Helfer an seiner Seite hatte.

Gut acht Monate bereitete sich der Rostocker auf das 24-Stunden-Rennen vor.

Seit Oktober trainierte der Ausdauer-Spezialist täglich ein bis zwei Stunden auf dem heimischen Ergometer. Nach dem letzten Freiluft-Härtetest über 300 Kilometer stand fest: Der Weltrekord-Versuch kann starten! Anfang Juni trat Klopsch Punkt 7 Uhr am Stadtrand von Rostock in die Pedalen. Die Strecke führte über die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst nach Ribnitz-Damgarten. „Von dort aus ging es Richtung Stralsund und wieder zurück nach Ribnitz. Diese 200-Kilometer-Runde wurde dreimal gefahren“, erklärt Klopsch, der von mehreren Fahrzeugen und zeitweise von Teamkollegen auf dem Rad begleitet wurde.

Alle 110 Kilometer legte er eine Pause ein, um zu trinken und zu essen. „Viel Obst, Cola, auch mal einen Donut. Alles, was ging, um den Energiehaushalt auf Vordermann zu bringen. Während der Fahrt konnte ich nur trinken, kauen fiel mir echt schwer, die mussten mir die Energie-Riegel regelrecht reinhelfen.“

Alle 110 Kilometer legte Klopsch eine Wasserpause von 10 - 20 Minuten ein.

Im ersten Drittel der Strecke lief es für den Marathon-Mann noch rund. Der Plan, möglichst viele Kilometer abzuspulen, ging auf. Nach zehn Stunden setzte der Einbruch ein. Klopsch erinnert sich: „Der Puls fiel ab, ich kämpfte mit der Erschöpfung, hatte Knieschmerzen und beginnende Krämpfe. In den Pausen wurde ich massiert und mir Wasser über den Kopf gekippt. Am Tag war es noch sehr heiß, in der Nacht gingen die Temperaturen runter bis auf acht Grad. Das war gerade auf dem Darß, wo es nasskalt ist, ziemlich unangenehm.“

Dank der Hilfe seines Teams und frühzeitiger Behandlung aufkommender Blessuren biss sich der Rostocker durch. Um 4.30 Uhr morgens der Lohn: Klopsch knackte die 668-Kilometer-Marke und stellte einen neuen Weltrekord auf. „Es war ein tolles Gefühl. Der Rest war Bonus. Am Ende haben wir noch 730 Kilometer geschafft“, sagt Klopsch, der 22 Stunden nonstop in die Pedalen trat und dabei eine Netto-Durchschnittsgeschwindigkeit von 33,3 km/h erreichte.

Eine Grenzerfahrung, die der Hobby-Fahrer gern gemacht hat. „Es ist faszinierend, zu erkennen, was der Körper leisten kann. Aber alles kontrolliert und ohne Risiken. Die einen sprechen von einer Sucht. Ich würde es bei mir eher als Leidenschaft bezeichnen.“

Deshalb will es der Vater von zwei Kindern in den nächsten Monaten auch ruhiger angehen lassen und wieder mehr Zeit der Familie widmen. So ganz lassen kann er es aber nicht. Eine Idee für das nächste Ausdauer-Projekt hat er nämlich schon. Klopsch: „Vielleicht bestreite ich mal ein Rennen quer durch Europa oder Amerika. Aber nur mit einem Fixie.“

Rund 14 Helfer unterstützten Christian Klopsch während seiner Weltrekord-Fahrt.