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Dorfverein mischt die Ekstraklasa auf

Bruk-Bet Termalica Nieciecza ist das polnische Hoffenheim

Ein Dorf mitten im Nirgendwo, 750 Einwohner groß, ein Stadion, das dem Vielfachen dieser Zahl entspricht und die nächste große Stadt liegt etwa 50 Kilometer entfernt. Dazu ein Fußballverein, der in der höchsten Spielklasse des Landes spielt und kurz davor steht zum ersten Mal europäisch spielt – nein es geht nicht um die TSG Hoffenheim, sondern um den polnischen Verein Bruk-Bet Termalica Nieciecza. Genau, wie die bei der TSG, schaffte der Verein durch einen namhaften Gönner innerhalb kürzester Zeit den Sprung aus den Amateurligen in die deutsche Spitzenklasse.

Pflastersteine ebneten den Weg

Der Dieter Hopp aus Polen heißt Krzysztof Witkowski. Er kann neben dem kleinen Dorfverein ein führendes Unternehmen auf dem polnischen Pflasterstein-Markt sein Eigen nennen, der gleichzeitig auch als Namensgeber herhält. Anfang der 2000er Jahre begann der Durchmarsch von Bruk-Bet Termalica Nieciecza. In nur sieben Spielzeiten kam der Verein aus der Nähe von Krakau aus der achten bis in die zweitklassige 1. Liga. Nach fünf Jahren in der Zweitklassigkeit folgte dann der große Coup. Mit dem Aufstieg in die Ekstraklasa avancierte Nieciecza zum kleinsten Ort, der jemals in einer höchsten europäischen Spielklasse gespielt hatte. Damit soll die Entwicklung aber noch nicht zu Ende sein. Das Ziel ist das internationale Geschäft. Auch, wenn im Liga-Alltag derzeit nur etwa 2.000 Zuschauer den Weg in das neue Stadion finden, ist es mit einer Kapazität von 4595 Zuschauern schon bereit für den Europapokal.

Polnischer Mini-Mourinho

Nachdem Bruk-Bet seinen Aufstiegscoach Piotr Mandrysz nach einem respektablen 13. Platz im Premierenjahr entließ, um seine ambitionierten Ziele weiterzuverfolgen, verpflichtete man das Czeslaw Michniewicz. In Polen ist das einer der Toptrainer, der bereits zahlreiche Erstligisten in das internationale Geschäft führte. Sein taktisches Know-how und seine Leidenschaft für perfekt organisierte Defensivreihen wird von fortschrittlicher Technik begleitet. Zum Beispiel nutzt er zusammen mit seinem Analysten Kamil Potrykus Drohnen, um Positionsmuster im Training perfekt zu dokumentieren. Die aufgezeichneten Videos nehmen die Spieler dann als eine Art Hausaufgabe zum Analysieren mit nach Hause – ähnlich wie das Playbook eines jeden NFL-Klubs.

"Dronen können keine Tore schießen, aber sie können uns dabei helfen, ein paar Spiele zu gewinnen. Ich habe vor kurzem ein Analyse-Programm gekauft, LongoMatch, das speziell auf uns zugeschnitten in Spanien angefertigt wurde. Derzeit sind wir die Vorreiter, aber in fünf Jahren wird das jeder benutzen. Allerdings hoffe ich, dass wir dann etwas anderes haben“, erklärte Michniewicz im Interview mit der polnischen Gazeta Wyborcza.

Einer wie Romelu Lukaku

Derzeit rangiert sein Team nach Abschluss der Hauptrunde auf dem siebten Platz der Ekstraklasa, die Qualifikation zur Europa League ist zum Greifen nah. In weiteren sieben Playoff-Spielen entscheidet sich nun der Endrang. Mitentscheidend für einen guten Saisonabschluss wird Top-Torschütze Vladislavs Gutkovskis sein. Coach Michniewicz hat ihn bereits mit keinem geringerem als Romelu Lukaku verglichen. Doch wie lockt ein Klub wie Bruk-Bet Termalica Nieciecza internationale Spieler in einen Ort, der bis auf das Stadion null Glanz versprüht? Mit der Seriosität einer Frau!

Danuta Witkowska, die Gattin des Vereinsbosses Krzysztof Witkowski, behauptet und bespricht nicht nur mit dem Trainerstab, welche Spieler den Klub voranbringen könnten, sondern führt auch sämtliche Vertrags- und Transferverhandlungen selbst. Sie soll der Grund sein, warum Spielerberater ihren Schützlingen diesen Provinzklub nahelegen. Die als sehr zuverlässig geltende Chefin lässt keine Gerüchte oder Korruption an den Verein heran und kann mit einer durchaus familiären Atmosphäre punkten. Ähnlich wie in Hoffenheim ruft nun bald das europäische Geschäft. Der Traum eines jeden Dorfvereins wird nun in Polen war.