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Invictus Games: Verletzt, aber unbesiegt

Soldaten aus aller Welt schöpfen bei paralympischen Spielen für Kriegsversehrte neue Kraft

Steffi Matz ging Ende Oktober auf die Reise ihres Lebens. Die Bundeswehr-Soldatin startete bei den Invictus Games im australischen Sydney. An dem paralympischen Wettbewerb nahmen mehr als 500 kriegsversehrte Soldaten aus 18 Nationen teil. Das deutsche Team stellte 20 Athleten, die in sechs Disziplinen (Bogenschießen, Leichtathletik, Radfahren, Sitzvolleyball, Schwimmen, Rudern) ihr Können zeigten. „Man ist ab der ersten Sekunde an im Invictus-Fieber. Mit dieser Kraft als Mannschaft in dieser Stadt aufzutreten, ist atemberaubend schön“, sagte die 32-Jährige.

Hauptfeldwebel Steffi Matz startete bei den Invicitus Games unter anderem im Ergometer-Rudern.

Von den Erlebnissen und Erfahrungen bei den Invictus Games 2018 wird Steffi Matz noch lange zehren. Die frühere Rettungsassistentin war 2011, 2012 und 2014 in Afghanistan im Einsatz und erlebte dort mehrere Anschläge mit. Seit ihrer Rückkehr leidet sie an Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). „Ich hatte Angst vor Kontrollverlust, konnte nicht mehr schlafen oder mich in der Öffentlichkeit aufhalten. Ich habe mich nirgendwo mehr sicher gefühlt“, sagte der Hauptfeldwebel.

Als Teil ihrer Therapie begann sie, leistungsbezogen Sport zu treiben. Neben Kugelstoßen und Diskuswerfen war sie auf dem Ruderergometer aktiv. „Wenn man sich auspowert und seine Muskeln spürt, macht man sich keine Gedanken mehr. Das Grübeln tritt in den Hintergrund, der Spaß in den Vordergrund. Man hat wieder soziale Kontakte und schenkt anderen Vertrauen. Die größten Schritte in der Therapie habe ich durch den Sport gemacht“, sagte Matz.

Die Invictus Games (invictus bedeutet unbesiegt) wurden 2014 von Prinz Harry in London ins Leben gerufen. Der britische Royal war selbst in Afghanistan im Einsatz und kehrte mit verwundeten und toten Kameraden in die Heimat zurück. Mit den Wettkämpfen für physisch und psychisch Versehrte „soll die Bedeutung des Sports bei der Gesundung demonstriert, die Rehabilitation unterstützt und das Leben jenseits von Behinderungen aufgezeigt werden“, so der Initiator.

Während sich die Invictus Games in den USA, Kanada und Großbritannien bei der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreuen, sind die Spiele in Deutschland nahezu unbekannt. Dass liegt auch daran, dass hierzulande Teile der Gesellschaft die Auslandseinsätze der Bundeswehr ablehnen. Zudem wird häufig der Vorwurf laut, die Invictus Games würden die Soldaten als Kriegshelden heroisieren. Wohl ein Grund, weshalb namhafte deutsche Politiker und die meisten Medien bislang einen Bogen um das Thema machten.

Kommen die Invictus Games nach Deutschland?

In diesem Jahr reiste Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen demonstrativ nach Sydney und feuerte die deutsche Mannschaft an. Sie will sich dafür einsetzen, dass die Spiele der Kriegsversehrten irgendwann auch in Deutschland ausgetragen werden. „Das wäre ein phantastisches Signal für die Truppe.“ Der Deutsche Bundeswehr-Verband begrüßte diese Idee. „Die Invictus Games in Deutschland wären der Hammer! Ein Mehr an Wertschätzung und Anerkennung gegenüber Veteranen wäre national wie international kaum denkbar. Es verdeutlicht, welche tragischen Folgen Einsatzmandate haben können, aber auch, welchen Mut Einsatzversehrte aus dem Sport ziehen. Gleichzeitig stärkt es das Band zwischen Bundeswehr und Gesellschaft“, sagte der Bundesvorsitzende, Oberstleutnant André Wüstner.

Steffi Matz haben die Invictus Games geholfen, ihre Kriegstraumata zu verarbeiten. Die Soldatin nahm im vergangenen Jahr erstmals an den Spielen im kanadischen Toronto teil. Schon damals bilanzierte sie: „Das war das Beste, das ich seit meiner Erkrankung erlebt habe. Die Spiele geben mir Kraft, weiterzumachen.“ Auch in Sydney genoss sie die Eindrücke während und im Rahmen der Wettkämpfe. Die einzige Frau im deutschen Team feuerte ihre Kameraden an, holte sich am Rande der Wettbewerbe ein Autogramm von David Beckham und erfüllte sich mit einer Wal-Tour einen lang gehegten Traum.

„Es ist wichtig, niemals aufzugeben und zu kämpfen. Die Spiele sind wichtig, weil sie uns exakt das ermöglichen. Wir sehen, dass wir immer noch in der Lage sind, etwas zu erreichen“, sagte Matz, die heute im Sanitäts-Versorgungszentrum in Torgelow (Mecklenburg-Vorpommern) arbeitet. Gut möglich, dass die Athletin auch bei der fünften Auflage der Invictus Games 2020 in Den Haag wieder dabei ist.