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Deutsche Nobodys mischen US-Fußball auf

Kevin Kratz und Julian Gressel stehen mit Atlanta United im Finale der Major League Soccer

In Amerika sind sie Stars, in Deutschland kennt sie kaum ein Mensch! Kevin Kratz (31) und Julian Gressel (24) spielen in der Major League Soccer (MLS) die Saison ihres Lebens. Die Profis erreichten mit ihrem Klub Atlanta United das Finale der nordamerikanischen Fußball-Liga und beweisen, dass es auch auf Umwegen nach ganz oben gehen kann.

Ein Erfolg ist dem deutschen Duo schon mal nicht zu nehmen: Durch den Playoff-Sieg gegen die New York Red Bulls (3:0, 0:1) sicherte sich Atlanta den Titel in der Eastern Conference, der Ost-Staffel der MLS. Jetzt winkt ihnen als erste deutsche Spieler sogar der Gewinn der Meisterschaft. „Wir werden alles versuchen, um den Titel im eigenen Stadion zu gewinnen”, sagte Gressel, der im Finale auf die Portland Timbers trifft.

Von der 4. deutschen Liga zum besten US-Nachwuchsspieler

Für den Mittelfeldspieler geht damit ein Traum in Erfüllung. Gressel stammt aus Franken und durchlief der Jugendschule von Greuther Fürth. Der Sprung zu einem Bundesligisten blieb ihm allerdings verwehrt. Nach einem Jahr beim bayerischen Viertligisten Bamberg wagte er mit 19 den Sprung in die USA. Beim College-Team Providence Friars entwickelte sich Gressel kontinuierlich weiter. Nach seinem Hochschulabschluss nahm ihn 2017 auf Anhieb der neu gegründete MLS-Klub Atlanta unter Vertrag.

„Ich wollte Fußballprofi werden und hätte vielleicht auch eine Chance dazu in Deutschland erhalten. Aber ich wollte gleichzeitig auch Student sein und vorbereitet zu sein, falls der Plan nicht aufgegangen wäre. Diese Möglichkeiten haben ich in Deutschland nicht gesehen“, sagte der 24-Jährige im Interview mit der Deutschen Welle .

Sein Plan ging auf. Gleich in der ersten Saison für Atlanta stieg Gressel zum Leistungsträger auf, erzielte in 32 Partien fünf Tore und bereitete neun Treffer vor. Das brachte ihm auf Anhieb die Auszeichnung zum „Rookie of the Year“ (Neuling des Jahres) ein. „Ich habe sehr hohe Erwartungen an mich selbst und wollte dieses erste gute Jahr nicht einfach so stehenlassen. Dafür kann ich mir nichts kaufen. In einer Karriere muss mehr gehen als ein Jahr. Ich möchte darauf aufbauen und besser werden“, sagte Gressel gegenüber Sport1 .

Ex-Barcelona-Coach formt Spitzenteam

Gesagt, getan: In dieser Saison setzte der Flügelfitzer noch einen drauf und kam in 33 Spielen auf vier Tore und zwölf Assists. Zusammen mit Routinier Kevin Kratz, der in Deutschland 108 Zweitliga-Spiele für Alemannia Aachen, Eintracht Braunschweig und den SV Sandhausen bestritt, trug Gressel zum rasanten Aufstieg von Atlanta United bei.

Der Franchise-Klub von Milliardär Arthur Blank gehört erst seit vergangener Saison der höchsten amerikanischen Fußballliga an und wuchs dank Trainer Gerardo Martino im Eiltempo zum Spitzenteam zusammen. Der Argentinier, der früher den FC Barcelona trainierte, lässt aggressiven und schnellen Fußball spielen. Star des Teams aus Georgia ist der venezolanische Mittelstürmer Josef Martínez, der in 34 Spielen 31 Tore erzielte und jüngst zum wertvollsten Spieler des Jahres gewählt wurde.

„Wir haben viele junge südamerikanische Spieler, die noch lange nicht am Ende ihrer Karriere stehen. Viele Jungs kommen hier mit großen Ambitionen her, um irgendwann in Europa zu spielen. Auch ich kann mir gut vorstellen, irgendwann zurück zu gehen und einen Versuch in der Bundesliga zu wagen“, so Gressel, der in Atlanta noch einen Vertrag bis 2019 besitzt.

72 000 Fans strömen zum MLS-Finale

Die Soccer-Fans in Atlanta honorieren den Aufstieg von United. Zu den Spielen strömten im Durchschnitt mehr 53 000 Zuschauer ins Mercedes-Benz-Stadium. Ligaspitze! Zum Finale gegen Portland werden sogar 72 000 Anhänger in der Spielstätte des NFL-Klubs Atlanta Falcons erwartet. „Unsere Fans sind einfach unglaublich. Das wird eine echte Party“, freute sich Gressel, der mit dem Gewinn der MLS-Meisterschaft mit einem ganz Großen des Fußballs gleichziehen könnte: „Kaiser“ Franz Beckenbauer gewann mit New York Cosmos zwischen 1977 und 1980 dreimal den Pokal der später eingestellten US-Liga NASL.